Allosexualität als sexuelle Identität
Gegenteil von Asexualität erklärt
Du hast Lust auf Intimität, Sex und Selbstbefriedigung? Dann bist Du höchstwahrscheinlich allosexuell. Noch nie davon gehört? Keine Sorge, wir verraten Dir, was genau hinter der Bedeutung von Allosexualität steckt. Spoiler: Diese sexuelle Orientierung ist quasi das Gegenstück zur Asexualität.
Was ist Allosexualität?
Im Begriff allosexuell steckt das griechische Präfix „allo-“, was so viel bedeutet wie „anders“. Gemeint ist damit, dass sich das sexuelle Begehren auf andere richtet. Klingt selbstverständlich? Nicht unbedingt – denn manche Menschen verspüren gar keine sexuelle Anziehung. Dafür gibt es die Bezeichnung asexuell.
Das Wort Allosexualität wurde eingeführt, um das Gegenteil von Asexualität zu beschreiben. Warum das Ganze? In unserer Gesellschaft gibt es die Annahme, dass alle Menschen früher oder später sexuelles Interesse an anderen entwickeln – das nennt man Allonormativität. Für asexuelle Personen kann dieser Druck belastend sein und zu Diskriminierung führen. Um von der Vorstellung wegzukommen, dass „eh alle allosexuell sind“ und damit asexuell „unnormal“ wäre, wurde der Begriff als wertfreie Beschreibung geschaffen.
Synonym kannst Du auch z-sexuell, zedsexuell oder alloce sagen. Im Englischen hat sich zudem die Schreibweise allosexual durchgesetzt.
# Gut zu wissen
Ganz ähnlich verhält es sich beim Wortpaar trans und cis. Zuerst gab es nur die Bezeichnung trans für Menschen, die sich nicht mit dem ihnen bei der Geburt zugewiesenen Geschlecht identifizieren. Aber wie nennt man Menschen, die sich mit diesem Geschlecht wohlfühlen? Genau dafür wurde das Wort cis geschaffen. Auch hier handelt es sich um eine wertfreie Beschreibung, die Identitäten klarer und präziser macht.
Allosexualität vs Asexualität: Unterschied im Begehren
Der Unterschied zwischen allosexuell und asexuell liegt vor allem darin, ob eine Person sexuelle Anziehung zu anderen empfindet – oder eben nicht. Doch das Ganze ist weniger schwarz-weiß, als es klingt. Sexuelles Begehren bewegt sich auf einem Spektrum. Das bedeutet: Es gibt keine festen Grenzen, ab wann jemand als allosexuell oder asexuell gilt.
Für den schwer greifbaren Übergangsbereich dazwischen gibt es sogar einen eigenen Begriff: grausexuell. Menschen, die sich so bezeichnen, können in bestimmten Situationen und mit bestimmten Personen durchaus sexuelle Lust empfinden – im Alltag spielt das aber meist eine eher untergeordnete Rolle.
Wie bei allen sexuellen Orientierungen gilt: Sie sind fluide. Das heißt, sie können sich im Laufe des Lebens verändern. Manche Menschen erleben in bestimmten Lebensphasen (etwa in der Pubertät oder in den Wechseljahren) eine Verschiebung ihres Begehrens – vom allosexuellen hin zu einem asexuellen Erleben oder umgekehrt. Ob Du Dich deshalb eher als asexuell oder allosexuell beschreiben möchtest, bleibt ganz Dir selbst überlassen.
Weitere Begriffe für sexuelles Begehren
Wichtig: Allosexualität und Asexualität beziehen sich ausschließlich auf sexuelle Anziehung. Davon zu unterscheiden ist die Aromantik. Aromantische Menschen haben durchaus Lust auf Sex und körperliche Nähe, empfinden jedoch keine romantische Liebe zu anderen. Sie konzentrieren sich eher auf platonische Bindungen und führen Partner:innenschaften, die eher freundschaftlich geprägt sind.
Bereit für einen weiteren Begriff? Bühne frei für die Demisexualität! Auch Demisexuelle bewegen sich irgendwo auf dem Spektrum zwischen A- und Allosexualität. Das Besondere: Wenn Du demisexuell bist, entsteht sexuelle Anziehung bei Dir erst dann, wenn eine enge emotionale Bindung zu Deinem Gegenüber besteht.
One-Night-Stands oder Casual Sex fühlen sich für viele demisexuelle Menschen daher nicht passend an. In einer tiefen Verbindung mit Vertrauen und Liebe kann es dafür umso intensiver und leidenschaftlicher werden.
Welche sexuelle Orientierung kann ich haben, wenn ich allosexuell bin?
Du kannst jede erdenkliche sexuelle Orientierung haben und Dich zusätzlich als allosexuell bezeichnen. Allosexualität beschreibt ja lediglich, ob Du sexuelle Anziehung verspürst, nicht zu welchem Geschlecht. Du kannst also allosexuell sein und Dich auch mit folgenden sexuellen Orientierungen identifizieren:
Die einzige Orientierung, die sich der Logik nach mit Allosexualität ausschließt, ist die Asexualität. In diesem Fall ist es tatsächlich ein „entweder-oder“. Entweder Du verspürst sexuelles Verlangen – oder eben nicht.
Allosexuell Test: Bin ich allosexuell?
Ein Allosexualitäts-Test kann hilfreich sein, wenn Du Dir unsicher bist, ob diese Selbstbezeichnung zu Dir passt. Wie bei allen Tests zu sexuellen Orientierungen gilt: Die Fragen können Dir zwar eine Tendenz geben – ob sich das Label am Ende für Dich wirklich stimmig anfühlt, entscheidest aber nur Du selbst.
Wirf einen Blick auf unseren kleinen „Allosexuell-Test“, wenn Dich die Frage „Bin ich allosexuell?“ beschäftigt.
Nimm Dir Zeit für die folgenden Aussagen und notiere Dir jeweils, ob Du mit Ja oder Nein antwortest:
Je öfter Du mit „Ja“ antwortest, desto eher passt der Begriff allosexuell zu Dir. Aber wie schon gesagt: Allosexualität ist keine starre Schublade – der Übergang zur Grausexualität ist fließend.
Wenn Du magst, kannst Du auch unabhängig von diesem Test immer wieder bei Dir selbst einchecken: Habe ich hier und jetzt Lust auf die andere Person? Fühlt sich das für mich stimmig an? Will ich vielleicht lieber nur kuscheln oder knutschen, ohne Sex?
Begehren ist kein festes Konstrukt, sondern etwas, das sich je nach Lebensphase, Beziehung und Situation verändern kann. Deshalb kann auch das Ergebnis eines solchen Tests bei Dir selbst von Zeit zu Zeit unterschiedlich ausfallen.
Lust auf weitere Tests zur sexuellen Orientierung?
Niedrige Libido und allosexuell – geht das?
Gut zu wissen: Nur weil Du (aktuell) eine niedrige Libido hast, heißt das nicht automatisch, dass Du asexuell bist. Du kannst allosexuell sein und trotzdem keine Lust auf Sex haben. Genauso wie eine heterosexuelle Frau nicht auf jeden Mann steht, verspüren auch allosexuelle Menschen nicht ständig sexuelles Begehren.
Bei Allosexualität geht es vielmehr darum, ob Du grundsätzlich jemals sexuelle Anziehung empfindest – nicht darum, ob Du jederzeit Lust auf Sex hast. Dass die Libido phasenweise abnimmt, ist völlig normal. Stress, Zyklus, körperliche Gesundheit oder Beziehungssorgen können Dein Begehren beeinflussen – das macht Dich nicht automatisch asexuell.
Der Unterschied ist entscheidend: Während Asexualität eine dauerhafte Orientierung beschreibt – ohne Leidensdruck, einfach weil keine sexuelle Anziehung da ist – handelt es sich bei einer niedrigen Libido meist um einen vorübergehenden Zustand mit klaren Auslösern. Wenn Du Dir grundsätzlich wünschst, Intimität zu erleben, die Lust aber gerade nicht so recht mitspielt, bist Du weiterhin allosexuell.
Übrigens: Eine schwankende Libido ist völlig normal und kein Grund zur Sorge. Wenn es Dich oder Deine Beziehung belastet, hilft es, offen darüber zu sprechen. Kommunikation schafft Verständnis – und oft auch neue Wege, Intimität zu leben.
Hier erfährst Du mehr zum Thema unterschiedliches sexuelles Verlangen in Beziehungen.
Allosexualität Flagge: Schwarz, Weiß und Grau
Wenn Du schon mal beim Christopher-Street-Day oder während des Pride-Monats unterwegs warst, kennst Du sie bestimmt: die vielen bunt wehenden Flaggen der verschiedenen LGBTQ-Communities. Jede queere sexuelle Orientierung und Geschlechtsidentität hat dabei ihr eigenes Symbol, das für Stolz, Zugehörigkeit und Sichtbarkeit steht.
Natürlich gibt es auch eine Flagge für Allosexualität. Im bunten Fahnen-Meer fällt sie auf den ersten Blick eher zurückhaltend aus, denn sie kommt in Schwarz, Weiß und Grau daher. Genau diese Schlichtheit macht sie aber besonders: Während viele Flaggen knallige Farben nutzen, setzt die Allosexualitäts-Flagge auf Zurückhaltung – und zeigt damit, dass Sichtbarkeit nicht immer laut und grell sein muss.
Die Farbwahl symbolisiert außerdem die enge Verbindung zur Asexualität. Schwarz, Weiß und Grau sind auch in der Asexualitäts-Flagge zu finden und stehen dort für die Vielfalt des Spektrums von „kein Begehren“ bis hin zu „manchmal Begehren“. Die Allosexualitäts-Flagge knüpft daran an und markiert so das Gegenstück: Menschen, die grundsätzlich sexuelle Anziehung empfinden.
Ob Du die Flagge nun auf dem CSD schwenkst oder einfach online als Symbol nutzt – sie zeigt, dass Allosexualität genauso Teil der (queeren) Vielfalt ist wie jede andere Orientierung auch.
Fazit zur Allosexualität
Allosexualität beschreibt Menschen, die grundsätzlich sexuelle Anziehung empfinden – das Gegenstück zur Asexualität also. Ob allosexuell, asexuell, grausexuell oder demisexuell: Alle Identitäten sind wertvoll und Teil der facettenreichen menschlichen Sexualität. Wichtig ist, dass Du Dich selbst verstehst und das Label wählst – oder auch weglässt – das sich für Dich richtig anfühlt.