Homosexualität in der DDR
Marcus Urban ist nicht nur ein schwuler Ex-Profifußballer, sondern auch ein schwuler Mann, der in der DDR aufgewachsen ist. Genauer gesagt in Weimar. Das war oft nicht einfach, verrät er in dem Buch “Coming-out”: “Fußball war meine Möglichkeit, zu flüchten. Ich bin mit 13 auf ein DDR-Sportinternat gekommen. Das war eine große Ehre. Die Plätze auf der Sportschule waren rar und sehr begehrt”.
Das Umfeld in dem Sportinternat war stark homofeindlich, erinnert sich der Fußballer. “Schwuchtel, schwule Sau … das habe ich immer und immer wieder gehört. Auch die Trainer haben durch ihre Aussagen gezeigt, dass es nicht möglich war, anders zu sein als ein heterosexueller Mann, der sich mit seinem Geschlecht identifiziert.” Sowohl in der DDR wie auch im Sport war und ist es als schwuler Mann schwer.
Homosexualität in der DDR: Queeres Leben fand nicht statt
In der DDR gab es kaum schwulen Kneipen, öffentliche Orte, kein öffentliches Leben für queere Menschen, wie die Bundeszentrale für politische Bildung schreibt. Stattdessen wurden Lesben und Schwule vom Staat überwacht und standen oft auch unter polizeilicher Verfolgung. Dadurch war es sehr schwer, Gleichgesinnte zu treffen oder Kontakt herzustellen.
In der Bundesrepublik gab es hingegen einige Zeitschriften, die queeres Leben ermöglichten, auch wenn diese immer wieder verboten wurden. Schwer vorstellbar, dass Deutschland mal ein Land war, in dem queere Menschen sich nicht einfach connecten konnten, so wie heute über queere Zentren oder Social Media.
Zwar wurde 1951 vom Sächsischen Landtag beschlossen, den Paragraph 175, der sexuelle Handlungen zwischen zwei Männern unter Strafe stellte, abzuschaffen – allerdings wurde dieses Vorhaben nicht durchgeführt. Stattdessen gab es den Paragraphen bis 1968 und erwachsene Männer, die mit Männern schlafen, wurden weiter verfolgt. Auch wenn die Verfolgung weiter in abgeschwächter Form stattfand.
Homosexualität in der DDR: Der Paragraph 151
Denn als der Paragraph 175 in der DDR 1968 abgeschafft wurde, wurde dieser durch den Paragraphen 151 ersetzt. Dieser stellte zwar homosexuelle Handlungen zwischen Erwachsenen nicht mehr unter Strafe, allerdings zu Jugendlichen. Im Paragraphen 151 wurden zudem erstmals auch Frauen unter Strafe gestellt. Doch trotz des neuen Gesetzes, blieben gesellschaftliche Stigmata erhalten. Selbst als 1988 der Paragraph 151 gestrichen wurde, und 1994 in der Bundesrepublik auch der Paragraph 175, bestanden gesellschaftliche Vorbehalte und Homofeindlichkeit weiter fort. Bis heute kommt es zu homofeindlichen Angriffen – auf der Straße und im Internet.
Die Gesetzesaufhebungen in den Achtziger- und Neunzigerjahren erlebte auch Marcus Urban mit. Ihm fehlte es vor allem an Freiheit in der DDR, berichtet er. Erst mit dem Mauerfall fühlte er sich freier und erlaubte sich, seine Sexualität zu erforschen. “In den Neunzigerjahren gab es auf einmal all diese Möglichkeiten: Reisen durch Europa, sich anders kleiden, Kontakt mit anderen Kulturen, die Auseinandersetzung mit sich selbst und auch mit Sexualität und Liebe.” Das war alles Teil seiner neuen Freiheit.
Urban fing an, Männer zu daten, sich die Kleidung anzuziehen, die er mochte. Außerdem zog er acht Jahre nach Mauerfall nach Hamburg, lebt heute in Berlin. Seinen Mann nimmt er zu Fußballspielen mit. Als Coach und Projektleiter beim Verein für Vielfalt in Sport und Gesellschaft setzt er sich dafür ein, dass marginalisierte Gruppen nicht mehr so mit sich kämpfen müssen, wie er damals. Auch wenn der Kampf noch eine Weile andauern wird.
Unser Tipp: Hier findet Ihr das Buch “Coming-out”! In dem Buch erzählen Marcus Urban und 17 weiter Prominente von ihren Coming-outs.
# Über den Autor
Sebastian Goddemeier ist Autor, Journalist und Sprecher und EIS-Experte für queere Themen. Zum Autorenprofil.
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