Homosexualität im Alter
Interview mit Ralf König
Ralf König (61) ist einer der bekanntesten Comiczeichner Deutschlands. 1987 hatte er seinen Durchbruch mit “Der bewegte Mann”, der später mit Til Schweiger verfilmt wurde. Seine schwulen Comicfiguren Konrad und Paul sind schon lange Kult.
In all den Jahren hat Ralf König knapp 50 Comicbände veröffentlicht – darunter auch “Herbst in der Hose”: Ein Comic über das Älterwerden als schwuler Mann. Wieso das Thema für ihn als Homosexueller so wichtig ist, erklärt König im Interview.
In deinem Buch "Herbst in der Hose" thematisierst Du das Älterwerden und das Schwulsein. Wieso ist das so ein Thema?
Ralf König: “Mich beschäftigt das Älterwerden sehr, und darum ist es Stoff für meine Comics. Ich will, dass Konrad und Paul mit mir älter werden, weil ich das, was da auf einen zukommt, dringend mit Humor aufarbeiten muss. ‘Herbst in der Hose’ war kein leichtes Buch, ich musste mich sehr mit dem Älterwerden – speziell des Mannes – auseinandersetzen, da hab ich Dinge im Internet recherchieren müssen, die ich so genau gar nicht wissen wollte. ‘Verringerung des Hodenvolumens’, hieß es da! Ich bin Hypochonder, ich krieg sowas immer gleich. Ich dachte auch, das Buch würde ein Flop, weil es zu sehr ans Eingemachte geht. Aber im Gegenteil. Die Jungs, die in den 90ern meine Comics gelesen haben, hatte ich damit wieder im Boot. Es scheint Bedarf zu geben nach etwas Trost. Und Humor ist das Beste, was man da auffahren kann.”
Weniger schwule Alterseinsamkeit durch Regenbogenfamilien und Freund:innen
Was macht es so schwierig, schwul und älter zu sein?
“Für Heteros ist das doch genauso schwierig, ich verstehe die Unterscheidung nicht. Kann sein, dass Heteros mehr in familiären Zusammenhängen leben, wo man sich umeinander kümmert, oder auch nicht, aber mit den Regenbogenfamilien und überhaupt Freunden ist das mit der eventuellen schwulen Alterseinsamkeit auch nicht mehr so dramatisch, glaube ich. Wir sind ja die ersten Generationen, die offen und selbstbewusst schwul altern dürfen.”
Was meinst Du, welchen Unterschied es zwischen Heteros und Homos gibt?
“Das Ding ist vielleicht, dass schwule Männer ihr eigenes Älterwerden oft nicht so bewusst wahrnehmen. Bei Heteros sind oft Kinder im Spiel, die die Eltern heranwachsen sehen. Ich kann mir vorstellen, dass das ein anderes Gefühl für den Lauf der Jahrzehnte vermittelt. Während schwule Männer weiter ins Sportstudio gehen und versuchen, so lange jung und attraktiv zu bleiben wie möglich. Oder im Gegenteil, Heteros merken nicht, wie die Zeit vergeht, und sie sind auf einen Schlag alt, wenn die Kinder erwachsen sind. Keine Ahnung. Letztlich muss das ja jeder mit sich selbst ausmachen. Jeder von uns guckt in den Spiegel und denkt, ok, sahst schon mal frischer aus, ob schwul oder nicht.”
“Ich hab’ noch mit diesem oder jenem meinen Spaß”
Welche Stigmatisierungen begegnen Dir?
“Keine. Weil ich nicht mehr in dem Sinne unterwegs bin. Ich war mit 40 in schwulen Internet-Foren zugange und fand die 60-Jährigen, die da wegen der Suchfilter quasi unsichtbar herumgeistern, immer tragisch. Ich hab’ mir geschworen, ich werde keiner von den Alten, die in der schwulen Dampfsauna nach jungen Hodensäcken grabschen. Ich bin jetzt unglaubliche 61, aber hab’ gute Gene, da geht noch einiges. Ich hab’ noch mit diesem oder jenem meinen Spaß. Dass mein Hodenvolumen sich verringert, sehe ich so bald noch nicht. Aber das ist ja das Verblüffende, man ändert sich nicht. Man dachte immer, Sex ist später nicht mehr so wichtig, dann liest man halt ein gutes Buch oder kocht mit Freunden anspruchsvolle Gerichte. 'Essen ist der Sex des Alters' oder so. Aber vergiss es. Ich bin immer noch versaut und geil drauf wie vor zwanzig Jahren, ich weiß nur noch nicht, ob das in Zukunft gut ist oder quälend."
Wie kann man ältere schwule Männer besser in der Community einbinden, deren Lebensrealität abbilden und Stigmata reduzieren?
“Keine Ahnung. Ich bin der Community etwas fern. Ich hab’ mit meinem eigenen Älterwerden genug zu tun. Aber dass Alte und Junge sich in der Community miteinander in den Kneipen amüsieren, funktioniert ja auch bei Heteros nicht. Man sollte nicht zu viel erwarten und sich nicht zu schnell altersdiskriminiert fühlen. Ich bin froh, dass ich nicht auf ganz junge Typen stehe.”
Mehr Altenheime für queere Senioren
Und in der Gesellschaft allgemein?
“Viel mehr schwule oder queere Altenheime sind sicher vonnöten. Das stelle ich mir wirklich schrecklich vor, später mal in einem Altenheim zu sitzen mit lauter Heteros um mich rum, die über ihre Enkelkinder reden oder über Fußball. Ich stelle es mir sowieso schrecklich vor, in einem Altenheim zu sitzen. Aber unter Schwulen besteht die Chance, dass es etwas lustiger wird. Fassen wir zusammen: Dieses schleichende Altwerden ist nun mal ein großer Scheiß, ich bin da ganz bei Cher! Dieses ganze ‚Es ist ja nur eine Zahl‘ oder ‚Man wird nicht älter, man wird nur reifer‘ und ‚Man ist nur so alt, wie man sich fühlt‘ – alles hohle Trostsprüche. Der langsame körperliche Verfall ist unerfreulich und man muss es mit Humor nehmen, solange es geht.”
# Über den Autor
Sebastian Goddemeier ist Autor, Journalist und Sprecher und EIS-Experte für queere Themen. Zum Autorenprofil.
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