Sadomasochismus – lustvolle Qual oder qualvolle Lust?
Sadomasochismus, abgekürzt SM, setzt sich zusammen aus Sadismus und Masochismus und meint das Erleben sexueller Lust und Befriedigung durch Macht oder Unterwerfung, Schmerzen zufügen oder zugefügt bekommen und demütigen oder gedemütigt werden.
Sadomasochismus und BDSM
Sadismus ist hierbei das Ausüben von Macht und zufügen von Schmerz, während Masochismus die Unterwerfung und das Erleben von Schmerz meint. Wenn wir noch Fesselspiele, Bondage und ähnliches dazupacken, dann reden wir von BDSM – Bondage, Discipline, Sadismus, Masochismus. Sadomasochismus ist also Teil von BDSM, aber nicht damit gleichzusetzen.
Sind Sadomasochismus und Gleichberechtigung vereinbar?
Menschen, die sich nicht für SM begeistern, schauen manchmal ratlos und können die sexuelle Erregung hierbei nicht nachvollziehen. Gerade in einem Zeitalter, in dem wir mehr Gleichberechtigung fordern und Missstände anklagen, scheint es widersprüchlich, wenn eine Frau sich einem Mann hingibt und dominiert werden möchte.
Gleichzeitig werden viele Mythen und Gerüchte gestärkt, wenn der Mann unterwürfig ist und von einer Frau dominiert werden will – wer kennt nicht das Vorurteil, dass angeblich gerade Menschen in hohen beruflichen Positionen unterwürfig seien und dominiert werden wollten? Weil nicht alle Menschen Sadomasochismus erregend finden und wir im Allgemeinen wenig über Sex bzw. sexuelle Praktiken reden, gibt es viele Fehlinformationen über SM. Dabei sind diese Fantasien gar nicht so selten, wie es auf den ersten Blick scheinen mag. Es gibt Studien und Befragungen die zeigen, dass etwa 10% der befragten Frauen und 20% der befragten Männer von erzwungenem Sex fantasieren, noch mehr fantasieren von Auspeitschen und Schmerzen und bis zu 60% fantasieren von Dominanz beim Sex!
Sadomasochismus: Im Bett ist erlaubt, was gefällt!
Es ist nicht widersprüchlich, Gleichberechtigung zu fordern und masochistisch zu sein, denn beim Sex gelten andere Normen: Was im Schlafzimmer (oder natürlich anderswo) unter sexueller Erregung erlaubt oder erwünscht ist, muss im Alltag nicht zwangsläufig auch ok sein. Eine Person, die als Sexsklave behandelt werden möchte, wird sehr wahrscheinlich auf dem runden Geburtstag des Schwiegervaters ungerne wie ein willenloses Stück Fleisch behandelt werden und Befehle oder gar Schläge empfangen wollen.
Was reizt Menschen an SM?
Viele Menschen machen beim Sex Dinge, die sie im Alltag nicht machen würden – das hat die Natur so eingerichtet und es ist neurobiologisch begründbar. Wir schalten sprichwörtlich unseren Kopf ab – der kritisch denkende Teil unseres Gehirns wird gestoppt. Und das ist mitunter genau das, was masochistische Menschen beschreiben. Sie berichten davon, dass sie „nur noch spüren“. Sie lassen sich fallen und geben sich einer anderen Person hin.
Analog dazu beschreiben sadistische Menschen, dass sie die Verantwortung für den Körper und fast auch schon das Leben einer anderen Person übernehmen, sie kontrollieren; sie sorgen dafür, dass das Gegenüber in einen Zustand der Ekstase verfällt und nehmen sich dabei, was sie wie möchten. Es geht darum, gemeinsam Grenzen zu überwinden.
Jedoch hat SM eine unabdingbare Voraussetzung, um diese Zustände zu erreichen und den Kopf ausschalten zu können: Vertrauen. Der masochistische Part muss darauf vertrauen können, dass die im Vorfeld getroffenen Absprachen und eigenen Grenzen eingehalten – oder eben Schritt für Schritt ausgetestet – werden.
Ist Sadomasochismus abnormal?
Sadomasochismus ist übrigens im Jahr 2021 leider immer noch eine psychische Diagnose. Es ist ein Überbleibsel aus früheren Zeiten, als man noch dachte, dass diese sexuellen Fantasien und Praktiken selten, „abnormal“ oder gar „pervers“ seien. Kein ernstzunehmender Psychotherapeut und keine ernstzunehmende Psychotherapeutin würde heutzutage diese Diagnose noch vergeben, wenn Menschen freiwillig SM ausleben und das gut finden.
Die Diagnose stammt noch aus einer Zeit, in der man keine Befragungen durchgeführt hat und nicht wusste, dass etwa ein Drittel aller Befragten regelmäßig von SM fantasieren und/oder solche Fantasien sogar schon ausgelebt haben.
Konsequenterweise wird diese Diagnose wegfallen. Zum Glück. Solange Erwachsene freiwillig und mit Einverständnis Sex haben und dabei nichts Lebensbedrohliches machen, kann man nur gratulieren, dass sich Gleichgesinnte gefunden haben.